Mit der Neufassung des Thüringer Chancengleichheitsfördergesetz soll das Vorhalten von Frauenhäusern und Schutzwohnungen Landesaufgabe werden. Im Freistaat fehlt bisher eine rechtliche Grundlage, die die Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte dazu verpflichtet. Auch welche Ausstattung und welche Leistungen eine solche Einrichtung zwingend vorhalten muss, ist nicht festgeschrieben.
Die Novellierung löst nicht nur die bisherige finanzielle Regelung ab, sondern berücksichtigt auch zusätzlich die Qualität der Einrichtungen sowie die Belange des Personals vor Ort. Thüringen erfüllt mit der neuen gesetzlichen Regelung die Verpflichtung aus Art. 22, 23 der Istanbul-Konvention nach angemessener geographischer Verteilung der spezialisierten Hilfsdienste, für kurz‑, mittel- und langfristige Hilfe für alle Betroffenen und verpflichtet sich, die Ressourcen für entsprechend geeignete, leicht zugängliche Schutzunterkünften in ausreichender Zahl bereitzustellen.
Dazu äußern sich die gleichstellungspolitischen Sprecherinnen der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen:
Karola Stange: „Die Anzahl von Fällen häuslicher Gewalt in Thüringen ist Medienberichten zufolge im Jahr 2022 um über 18 Prozent gestiegen, was eine Zunahme von über 3.800 Opfern entspricht. Damit ist Gewalt noch immer Alltag in unserer Gesellschaft. Diese Zahlen unterstreichen die dringende Notwendigkeit der vor einigen Monaten eingeleiteten Initiative von LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, eine Gesetzesinitiative für einen flächendeckenden Ausbau der Frauenhäuser und Schutzwohnungen im Freistaat zu erarbeiten. Heute haben wir es geschafft: Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf wollen wir in Thüringen ein deutliches Aufbruch-Signal für einen besseren Gewaltschutz in Thüringen nach Außen senden und die Umsetzung der Istanbul-Konvention als geltendes Recht in Deutschland ernst nehmen.“
Dr. Cornelia Klisch: „Die Istanbul-Konvention verpflichtet die Mitgliedstaaten, gegen alle Formen von Gewalt vorzugehen. Die Ratifizierung der Istanbul-Konvention war jedoch nur ein erster Schritt. Entscheidend ist, dass sie auch vor Ort umgesetzt wird. Deshalb haben wir in Thüringen intensiv nach einer Lösung gesucht, die die Situation von Schutzbedürftigen deutlich und schnell verbessert, ohne das Problem auf andere zu übertragen.
Dieser Gesetzentwurf ist dafür entscheidend. Denn jede Verzögerung bedeutet, dass noch mehr Frauen Opfer von häuslicher Gewalt werden. Wir hoffen deshalb auf breite Zustimmung im Plenum.“
Laura Wahl: „Schutz in einem Frauenhaus zu suchen, bedeutet für Betroffene bisher häufig hohe zusätzliche Kosten in einer sowieso schon schwierigen Lebenssituation. Wir können Gewalt nicht ungeschehen machen, aber als Staat können und müssen wir zumindest dafür sorgen, dass von häuslicher Gewalt betroffene Frauen ein Hilfenetz vorfinden, das niemanden allein lässt. 50 Femizide, also 50 getötete Frauen, in Thüringen seit 2015 zeigen deutlich, wie notwendig es ist, den Gewaltschutz zu stärken. Mit dem rot-rot-grünen Gesetzentwurf schaffen wir außerdem die gesetzliche Grundlage für eine Männerschutzwohnung und stärken die Interventionsstellen und Frauenzentren, die in Fällen häuslicher Gewalt wichtige Netzwerkpartner sind.“